
Praxisbeispiele Medizintechnik

Schadensanalyse
an einem Oxygenator

Problemstellung: Kontaminationen und Risse im Ansaugstutzen von Oxygenatoren
Oxygenatoren dienen – zum Beispiel während Operationen – dem Blutgasaustausch im extrakorporalen Kreislauf sowie der Temperaturregulierung des arteriellen Blutes. Diese Geräte werden unter anderem aus hochtransparentem Polycarbonat hergestellt. Die Oxygenatoren werden nach und unmittelbar vor dem Einsatz im OP mit Wasser sowie bestimmten Alkoholen gespült und gereinigt. Ab einem bestimmten Zeitpunkt wurden bei einer Produktserie aus den Krankenhäusern Reklamationen gemeldet, die sich schnell häuften.
Die Reklamationen beziehen sich auf oberflächliche Risse an einem der Anschlussstutzen. Das davon ausgehende Risiko besteht einerseits in einer mechanischen Schwächung des Materials, die mehr oder weniger offensichtlich ist. Wesentlich subtiler ist dabei jedoch andererseits die Gefahr durch in die Risse eingelagerte Mikroben, die im Riss vor direktem Kontakt mit den Reinigungsmedien geschützt sind. Auf diese Weise können sie in Kontakt mit dem Blut geraten.
Analysemethode: Polarisationsmikroskopische Aufnahmen
Eine Analyse mithilfe polarisationsmikroskopischer Methoden zeigt, dass der Werkstoff des Oxygenator-Gehäuses unter starken Spannungen steht. Dies ist aus den lebhaften, scharf abgegrenzten Farbmustern im Bild zu erkennen. Im Bild zu erkennen sind auch die Kontaminationen in dem Bereich eines Anschlussstutzens.

Ergebnis: Anpassung der Fertigungsparameter nach Anbieterwechsel notwendig

Christoph Zekorn
Laborleiter Mikroskopie
Zulassungsprüfung
für Therapieschiene

Problemstellung: Mechanische Untersuchungen an einer PMMA-Aufbissschiene
Für den Vertrieb von Therapieschienen auf dem amerikanischen Markt unterliegen medizinische Produkte einer Zulassung bei der Food and Drug Administration, kurz FDA.
Die Aufbissschienen werden aus einem PMMA-Werkstoff gefertigt. Die größte Gefahr bei diesem Produkt besteht darin, dass während des Schlafs durch Knirschen oder ungünstiges Verkanten Brüche und Splitter entstehen, die zum Ersticken führen können. Derartige Umgebungsbedingungen von typischerweise 37 °C bei hoher Feuchte sind im Versuchssetup für mechanische Prüfungen zu berücksichtigen.
Zur Erlangung einer Zulassung werden nach der internationalen Norm ISO 20795-1 „Zahnheilkunde an Prothesenkunststoffen“ unter anderem mechanische Untersuchungen durchgeführt. Eine weitere Forderung der ISO ist der direkte Vergleich mit einem bereits auf dem Markt zugelassenen Produkt.
Analysemethode: Bestimmung von Werkstoffeigenschaften nach ISO 20795-1
Nach der Ausarbeitung geeigneter Prüfkörper mittels Schleifen und Fräsen erfolgt die Prüfung der Biegeeigenschaften in temperierter, wässriger Umgebung (Bild 2). Die ermittelten Eigenschaften der neuen Aufbissschiene werden mit den am Wettbewerbsprodukt ermittelten Eigenschaften verglichen.
Ergebnis: Bewertung der Biegeeigenschaften
Anhand der im Biegeversuch ermittelten Biegespannungs-/ Biegedehnungs-Diagramme können die Kennwerte des Biegemoduls sowie die Biegefestigkeit in Wasser bei 37 °C abgeleitet werden. Bild 3 zeigt eine gute Übereinstimmung zwei verschiedener PMMA-Aufbissschienen-Chargen untereinander sowie eine Übertreffung der ermittelten Eigenschaften im Vergleich zum Wettbewerbsprodukt.

Unter Betrachtung der Normvorgabe in Höhe von Efsoll = 2 000 MPa für den Biegemodul können alle untersuchten Aufbissschienen die geforderte Steifigkeit übertreffen. Hinsichtlich der Biegefestigkeit zeigt sich ein vergleichbares Verhalten. Die beiden PMMA-Werkstoffe sind mit einer Biegefestigkeit in Höhe von σf = 100 MPa als gleich zu bewerten. Im Vergleich zum Wettbewerbsprodukt mit σf ≈ 80 MPa und der Normvorgabe von σfsoll ≥ 65 MPa werden diese deutlich übertroffen.

Durch die Gegenüberstellung mit Normvorgaben und bereits zugelassenen Produkten wird eine sichere Beurteilung der mechanischen Eigenschaften der „neuen“ Aufbissschiene möglich.

Dipl.-Ing. (FH) Christiane Wintgens
Projektingenieurin Dynamische Prüfung