Stapel von Kunststoff-Recyclingmaterial auf dem Weg zur Recyclinganlage.

Praxisbeispiele Rezyklatcharakterisierung

Stapel von Kunststoff-Recyclingmaterial auf dem Weg zur Recyclinganlage.© duallogic
Gesammelte und sortierte PET-Flaschen sowie anderer Kunststoffabfall werden zu einer Aufbereitungs- und Recyclinganlage transportiert.
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Verarbeitungseignung

von Rezyklaten

Problemstellung:

Die notwendige Verwendung von Rezyklaten im Hinblick auf die Erhöhung der Nachhaltigkeit von Produktionsprozessen stellt Produktentwickler vor zum Teil große Herausforderungen. Die Eigenschaften recycelter Materialien können von denen der Neuware in ungewissem Maße abweichen, weshalb eine Charakterisierung der eingesetzten Rezyklate hinsichtlich ihres Verhaltens in der Verarbeitung wie auch während der Nutzung eine wichtige Basis für die Entwicklung und Fertigung zuverlässiger Bauteile darstellt. Insbesondere Rezyklate aus haushaltsnahen Abfällen (Post-Consumer-Rezyklate, PCR) geraten hierbei in den Fokus.

Methodik/Analytik:

In Folge einer Werkstoffrecherche wurden zwei PCR-Polypropylene verschiedener Hersteller und unterschiedlicher Preisklassen hinsichtlich ihres Verarbeitungsverhaltens verglichen. Ziel war es, die Eignung des Rezyklats für einen Produktionsprozess zu prüfen und zu ermitteln, ob das Material eine nachhaltige Alternative zu Neuware darstellen kann. Die Materialien wurden zum einen auf die Anwesenheit möglicher Fremdpolymere bzw. möglicher Verunreinigungen mittels Infrarotspektroskopie (FTIR-ATR) und Thermischer Analysen (DSC) untersucht, zum anderen wurde das Fließverhalten beider Qualitäten mittels Hochdruckkapillarrheometer (HKR) bestimmt. Die Ergebnisse wurden denen eines gängigen Verpackungs-PPs (Virgin-Material) gegenübergestellt.


Ergebnisse:

Das IR-Spektrum lieferte neben den Polypropylen-typischen Banden auch CH2-Banden, welche einem Polyethylen (PE) zugeordnet werden können. Beide PCR-Typen ergeben kaum Unterschiede, im Virgin-Material sind diese Banden nicht zu finden. In der Thermischen Analyse zeigt das Virgin-Material eine geringfügig höhere Schmelztemperatur, die PCR-Materialien weisen einen weiteren Schmelzpeak auf, was aufgrund der Schmelztemperatur erneut auf ein PE hindeutet. Weitere Fremdpolymere konnten nicht identifiziert werden.

Ergebnisse der DSC-Analyse

Bei den Untersuchungen der Fließfähigkeit im HKR konnte für die PCR-Werkstoffe eine deutlich niedrigere Viskosität gegenüber dem Virgin-Material ermittelt werden. Die Viskosität der PCR-Werkstoffe untereinander unterscheidet sich jedoch nur unwesentlich.

Ergebnisse der IR-Analyse IKV

Auf Basis dieser Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass sich die Materialeigenschaften der Rezyklate aufgrund der Anwesenheit von aus dem Recyclingprozess stammenden Fremdpolymeren in Bezug auf das Fließverhalten deutlich verändert haben. Für die Umstellung von Neuware auf Rezyklatmaterialien in laufenden Herstellungsprozessen ist die Kenntnis der Materialeigenschaften somit von essenzieller Bedeutung im Hinblick auf die Verarbeitbarkeit und somit auch für die Produktqualität. Im Zuge dessen ist eine umfassende analytische Überprüfung des Materialverhaltens von maßgeblicher Relevanz, um einen reibungslosen Produktionsprozess und qualitativ hochwertige Produkte gewährleisten zu können.

Crash-Verhalten

von rPE-Folien

Ergebnisse der Maximalkraft in Durchstoßversuchen unter Angabe des Neumaterialanteils IKV

Problemstellung:

Kunststofffolien mit Rezyklatanteilen gewinnen aus Nachhaltigkeitsbetrachtungen zunehmend an Bedeutung. In einem Praxisbeispiel wurde untersucht, wie unterschiedliche Rezyklatgehalte das mechanische Verhalten von Polyethylenfolien bei crashartigen Belastungen beeinflussen.

Methodik:

Untersucht wurden PE-LD- und PE-LLD-Folien, mit variierendem Anteil von Rezyklaten, in Durchstoß- und Schnellzerreißversuchen, um die Eignung der Materialmischungen für schlagartige Beanspruchungen zu bewerten. Es wurden normgerechte Prüfkörper hergestellt und Versuche bei 1 m/s und Raumtemperatur durchgeführt. Für jede Variante wurden fünf Wiederholungen durchgeführt und jeweils die Maximalkraft, Energie bei Maximalkraft und die Maximalspannung ermittelt.

Ergebnisse:

Die Ergebnisse der Durchstoßversuche (siehe Diagramm) zeigen für LDPE eine leichte Zunahme der maximalen Kraft für sinkende Anteile an Neumaterial. Bei LLDPE zeigt sich ein gegenläufiger Effekt. Die maximale Kraft ist bei Folien ohne Rezyklatanteil deutlich erhöht gegenüber allen anderen Mischungen.


Bei crashartiger Zugbelastung zeigt sich bei den LDPE-Mischungen ein ähnlicher Verlauf wie bei der durchstoßenden Belastung (siehe Diagramm der Schnellzerreißversuche). Auch hier nimmt die maximale Spannung mit sinkendem Neumaterialanteil zu. Auffällig ist hierbei das Mischverhältnis von 50 % Rezyklatanteil, welches eine deutlich erhöhte maximale Spannung aufweist. Beim LLDPE zeigt sich durch die Zunahme der maximalen Spannung, bei sinkendem Anteil des Neumaterials, ein konträres Werkstoffverhalten zum Durchstoßversuch. Mischungen mit einem Rezyklatanteil bis 60 % zeigten darüber hinaus kein Bruchversagen, sondern dehnten sich über die gesamte Versuchslänge.

Ergebnisse der max. Spannung in Schnellzerreißversuchen unter Angabe des Neumaterialanteils

Fazit:

Die Rezyklatmischungen des LDPE zeigen in Durchstoß- und Schnellzerreißversuchen ein ähnliches Verhalten. Die maximalen Kräfte bzw. Spannungen nehmen mit steigendem Rezyklatanteil zu. Die Mischungen des LLDPE zeigen je nach Belastungsart ein unterschiedliches Werkstoffverhalten. Während im Durchstoßversuch die maximale Kraft beim Neumaterial am höchsten ist, nimmt die maximale Spannung im Schnellzerreißversuch mit steigendem Rezyklatanteil zu. Bei Anwendungen mit LLDPE ist zudem das unterschiedliche Versagensverhalten der Mischungen zu beachten.

 

Risse in Blistern für Medizinprodukte

aus Rezyklaten

Rissbildung nach Tiefziehen bei Blisterfolien

Problemstellung:

Dreischichtige PET-Folien werden mit einer rezyklathaltigen Mittelschicht zu Tablettenblistern verarbeitet. Nach dem Wechsel auf neue Folienchargen kam es vermehrt zu Problemen, welche sich durch augenscheinlich sprödes Material, Risse beim Schneiden und Tiefziehen sowie Versagen beim manuellen Drucktest bemerkbar machten. Ziel der Untersuchungen war es, die Ursachen der auftretenden Schäden zu untersuchen.

Mikroskopische Aufnahme schadhafter Teile unter Polarisationslicht

Methodik:

    Am IKV wurden verschiedene Prüfungen an Folien und Blistern unterschiedlicher Chargen durchgeführt. Hierbei handelt es sich um die unauffällige ursprüngliche Foliencharge und 2 neue Chargen, von denen die Blister einer Charge in Ordnung (i.O.) waren und die Blister der anderen neuen Charge Schäden aufwiesen (n.i.O.). Folgende Untersuchungen wurden durchgeführt:

  • Manueller Drucktest: Prüfung auf Rissbildung per Hand an Blistern.
  • Lichtmikroskopie: Bewertung von Schichtaufbau, Dickenschwankungen und Eigenspannungen tiefgezogener Bauteile.
  • DSC: Ermittlung thermischer Kennwerte (Glasübergang, Kristallisation, Schmelzverhalten) an Folienproben.
  • Infrarotspektroskopie (ATR): Identifikation des Kunststoffs und Prüfung auf Fremdpolymere.
  • DMA: Ermittlung des mechanischen Verhaltens über den Temperaturbereich.
  • Zugversuche: Bestimmung mechanischer Kennwerte an aus Folienmaterial und Blistern entnommenen Zugprüfkörpern
  • Durchstoßversuche: Bestimmung des Schlagverhaltens an Folien vor dem Tiefziehprozess

Ergebnisse:

Die Materialanalysen mittels Infrarotspektroskopie und DSC bestätigen, dass alle Probenr aus PET zu bestehen scheinen. Hinweise auf auf Fremdpolymere ergeben die Analysen nicht. In den thermischen Eigenschaften treten jedoch teilweise Unterschiede zwischen unauffälligen und schadhaften Blistern auf, insbesondere bezüglich der Glasübergangstemperatur und des Kristallisationsverhaltens. Diese liefern Hinweise auf unterschiedliche thermische Historien und Abkühlbedingungen im Herstellprozess. Mikroskopische Untersuchungen ergeben zudem deutliche Eigenspannungen im tiefgezogenen Bereich der Blister, sowie Schwankungen in der Schichtdickenverteilung. Dies ist in der dargestellten mikroskopischen Aufnahme unter Polarisationslicht gut zu erkennen.

Zug-E-Moduln aller Versuchspunkte

Die mechanischen Prüfungen zeigen eine leicht höhere Zugfestigkeit und bei allen Kennwerten eine deutlich geringere Streuung bei der alten Charge im Vergleich zu den neuen Chargen. Die Blister aus den neuen Chargen zeigten teils deutlich reduzierte E-Modul-Werte. In Durchstoßversuchen, die das Auslösen des Füllguts simulieren, ließen sich hingegen keine gravierenden Unterschiede zwischen den Folien feststellen.

Fazit und Empfehlung:

Zusammenfassend kann die Schädigung einzelner Blister nicht auf Anteile von Fremdmaterialien zurückgeführt werden. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Chargen deuten vielmehr auf Schwankungen im Folienaufbau und prozesstechnische Probleme beim Tiefziehen hin. Weiterführend wird eine Analyse der Rezyklatschicht, z.B. im Hinblick auf die molekulare Zusammensetzung, sowie eine Optimierung der Temperaturführung im Tiefziehprozess als zielführend angesehen.

 

Bruchversagen

von Möbelfüßen

Abbildung 1: Bauteilbruchfläche mit sichtbaren Materialverunreinigungen

Problemstellung:

An den Korpussen von Küchenunterschränken eines namhaften Herstellers kommen spritzgegossene Kunststofffüße aus recyceltem Polystyrol (rPS) zum Einsatz, die über integrierte Gewindestrukturen eine exakte Höhenverstellung und damit Ausrichtung des Unterschranks ermöglichen. Im vorliegenden Fall mehrten sich plötzlich Reklamationsmeldungen aus Richtung der bei Endkunden tätigen Küchenmontageteams. Offenbar neigten bis dato problemlos verwendete Küchenfüße nun verstärkt zum Abbrechen (Abb. 1 / links), insbesondere wenn aufgebaute Korpusse aufrechtstehend über den Küchenboden an ihre finale Position geschoben wurden. Gemäß Spezifikation dürfen die Schränke mit einem Gewicht bis 200 kg bzw. die Einzelfüße entsprechend bis 50 kg belastet werden.

Methodik/Analytik:

  • Fraktographische Untersuchungen mittels Licht- und Elektronenmikroskopie.
  • Lichtmikroskopische Gefügeanalysen im Chargenvergleich (i.O. vs. n.i.O.)
  • Vergleichende Bestimmung der Molekulargewichtsverteilung bzw. des Polydispersitätsindex (GPC)

Ergebnisse:

Auf den Bruchflächen versagter Füße zeigen sich zahlreiche Verunreinigungen, die offenbar in die Bruchebene eingebettet waren (Abb. 1 / rechts). Gemäß rasterelektronen-mikroskopischer Befunde stellen diese Materialeinschlüsse teilweise lokale Bruchinitiatoren dar. Die lichtmikroskopischen Gefügeanalysen können eine Vielzahl unterschiedlichster Verunreinigungen im Werkstoff aufzeigen, die zum Teil auch einen metallischen Glanz haben (Abb. 2). Derartige Fremdeinschlüsse können unter mechanischer Belastung einen kerbwirkenden Einfluss ausüben und bei PS die Sprödbruchgefahr erhöhen.

Abbildung 2: Materialverunreinigungen in der mikroskopischen Bauteilquerschnittsbetrachung

Weiterhin zeigt die GPC-Analyse der schadensauffälligen rPS-Bauteilcharge im Vergleich zur unauffälligen Charge einen erhöhten Polydispersitätsindex (PDI), der auf eine breitere Molekulargewichtsverteilung und damit auf einen erhöhten Anteil niedermolekularer PS-Fraktionen hinweist. Dies kann bruchmechanische Konsequenzen haben, insbesondere auf die Bruchdehnung und die Schlagzähigkeit, da die niedermolekulare Fraktion den Widerstand gegen Risswachstum reduziert.

Dem Zulieferer der Kunststofffüße wurde ergebnisbasiert in erster Linie nahegelegt, die Materialreinheit bzgl. Fremdpartikel bei der Verwendung von rPS stärker in den Blick zu nehmen und mittels MFR-Bestimmung oder Lösungsviskositätsmessungen im Rahmen von Wareneingangskontrollen eine Sensitivität über die gelieferte Rezyklatqualität aufzubauen.

 

Oberflächenmängel

aufgrund Rezyklatverwendung

Rezyklatanalyse mittels IR-Spektroskopie

Problemstellung:

Rezyklate enthalten – je nach Herkunft – aus ihrem vorhergehendem Nutzungszyklus oftmals unbekannte Substanzen, sogenannte „Non Intentually Added Substances“ (NIAS). So kann es beispielsweise zu Migrationsprozessen dieser Substanzen kommen, welche zu Qualitätsmängeln wie Oberflächenklebrigkeit der Bauteile führen. Mit Hilfe spektroskopischer Verfahren können solche Auffälligkeiten auf der Oberfläche im Hinblick auf die Zuordnung der verantwortlichen Substanzen analysiert und identifiziert werden.

Methodik/Analytik:

Im Rahmen einer Studie wurden Bauteile aus 100% recyceltem PE-Material untersucht, welche nach nur geringer Zeit der Lagerung durch eine klebrige Oberfläche auffällig waren. Die Vermutung war, dass Verunreinigungen bzw. Fremdmaterialien aus dem Recyclingprozess ungewollt im Rezyklat verarbeitet wurden. Hieraus resultierte die These, dass es sich dabei um Stearate, sogenannte Metallseifen handelte, welche aus der Sinkfraktion des Recyclingprozesses eingebracht wurden. Diese Verbindungen dienen in Herstellungsprozessen als Formtrenn- und Gleitmittel, als Haftvermittler, Säurefänger, nichtionische Antistatika und Nukleierungsmittel. Im Allgemeinen können Stearate die Oberflächeneigenschaften der Polymerformulierungen beeinflussen.

FTIR: Identifikation der Oberflächenbestandteile

Um die These zu prüfen, wurden Proben der klebrigen Bereiche entnommen und mittels Fourier-Transformations-Infrarotspektroskopie anhand der ATR-Methode (FTIR-ATR) mit einem Diamantmesskristall analysiert. Der Fokus lag an dieser Stelle auf zusätzlich sichtbaren Banden neben denen des Werkstoffs PE. Weiterhin wurden die klebrigen Substanzen in Hexan extrahiert und anschließend mittels Gaschromatographie getrennt und im Anschluss massenspektrometrisch (GC-MS) analysiert.


Ergebnisse:

Mittels FTIR-ATR werden von dem Basiswerkstoff Polyethylen abweichende zusätzliche Banden detektiert. Die klebrige Substanz kann nach dem Abgleich mit den IR-Datenbanken einer von PE abweichenden Stoffklasse eindeutig zugeordnet werden. Der Abgleich ergibt Hinweise auf das vermutete Verarbeitungshilfsmittel. Dabei handelt sich aus IR-spektroskopischer Sicht vermutlich um ein Stearat der Type „Hydroxypropylstearat“ oder „Glycerin-monostearat“ (siehe IR-Spektrum).

Die gaschromatographische Analyse zeigt, dass nicht nur eine Substanz, sondern ein Gemisch mehrerer Verbindungen vorliegt. Demnach ist die Ursache für die klebrige Wirkung nicht eindeutig. Die massenspektroskopisch identifizierten Substanzen lassen sich in drei Stoffklassen zusammenfassen: Carbonsäuren, Carbonsäureester und Phthalate. (Gaschromatogramm siehe Abbildung) Über 50% der erhaltenen Komponenten lassen sich Phthalaten zuordnen, welche in der Kunststoffbranche typischerweise als Weichmacher fungieren. Die Anwendung bei Polyolefin-basierten Werkstoffen und somit auch bei Polyethylen ist allerdings eher unüblich.

Ergebnisse der GC-Analyse

In dieser Studie konnte durch die strukturaufklärende Analytik nachgewiesen werden, dass das Zusammenspiel der Verunreinigungen (Metallseifen und Weichmacher) und dem Werkstoff für die Qualitätsmängel an der Oberfläche des Bauteils verantwortlich ist. Das Ergebnis verdeutlicht die Relevanz solcher Analysen bei der Verarbeitung von Rezyklaten.

 

Rissbildung nach Umstellung

auf rezyklierten Werkstoff

Abbildung 1: Anschnittbereich der Tuben auf der Innenseite im Vergleich

Problemstellung: Rissbildung an Tuben aus Rezyklaten:

Bei zweiteilig hergestellten PE-Tuben wird der Kopfbereich (Tubengewinde) an eine zuvor extrudierte PE-Hülse angespritzt. Unter Verwendung eines Post Consumer Rezyklats (PCR) mit einem Anteil von ca. 50% traten nach der Abfüllung und Lagerung bereits vor dem Verkauf bzw. der eigentlichen Anwendung Risse im Schulterbereich der Tuben auf (Abb. 1 / links). Gemäß augenscheinlicher Begutachtung findet die Rissbildung vermutlich im Bereich des Anschnitts (Ringanguss) statt.  Weiterhin konnten bereits durch Warmlagerung Risse an leeren Tuben durch den Hersteller in diesem Bereich nachgestellt werden. Bei den Tuben handelte es sich um ein marktgängiges und bis dato schadensunauffälliges Produkt, welches zuvor jedoch stets aus Virgin-Material hergestellt wurde.

Mit Hilfe geeigneter Untersuchungen wurde ein Vergleich zwischen den Tuben beider Materialqualitäten vorgenommen, um daraus Hinweise für die Rissursache abzuleiten.

Methodik: Mikroskopische und thermische Untersuchungen:

  • Makroskopische und mikroskopische Fehlerbilddokumentation
  • Mikroskopische Gefügeanalyse im Querschnitt des Schadenbereichs zur Bewertung der Verarbeitungsqualität
  • DSC-Analysen zur Bestimmung des thermischen Verhaltens

Ergebnis: Verarbeitungsunterschiede durch PCR-Material

Auf der Innenseite ist im Schulterbereich der Tube ein Ringanschnitt erkennbar. Der Anschnittsbereich ist bei den PCR-Tuben innenseitig deutlich sichtbarer und die gefundenen Risse fallen örtlichen mit diesem zusammen

Abbildung 2: Vergleichende Dünnschnittaufnahmen im Tubenanschnittsbereich

Bei den Gefügeuntersuchungen wurde über Bauteilquerschnittspräparationen bestätigt, dass die Risse ihren Ursprung im Anschnittsbereich hatten. Hierbei wiesen Anschnitte von PCR-Tuben herstellungsbedingte Materialfaltungen am Anschnitt auf, wodurch eine bindenahtähnliche Merkmalsausbildung entstand.

Die DSC-Analyse erbrachte eine leicht höhere Schmelztemperatur (2 °C) sowie eine höhere Kristallinität des PCR-Materials im Vergleich zum Virgin-Material. Das unterschiedliche thermische Verhalten könnte entsprechend auch die Verarbeitbarkeit des Materials beeinflussen. Die Aussagen beziehen sich jedoch nur auf eine Einfachbestimmung beider Qualitäten.

Die Risse waren auf die Merkmalsausprägung Anschnittsbereich der PCR-Tuben zurückzuführen. Durch die Faltung der Fließstränge des eingespritzten Kunststoffs ergaben sich Kerben, dienach aktuellem Kenntnisstand einen Rissstart begünstigen können. Der Grund für die Verarbeitungsunterschiede kann in einem zum Virgin-Material abweichenden Viskositätsverhalten liegen. Da PCR-Material bekanntermaßen andere und in größerer Bandbreite schwankende Verarbeitungseigenschaften als vergleichbares Neumaterial aufweisen kann, ist eine stetige Kontrolle der Fleißeigenschaften des Werkstoffs und ggf. Anpassung der Verarbeitungsparameter ratsam.

 

Schadensanalyse:

Rissbildungen an Abfalltonnen

Abbildung 1: Schadensbild (l) und Gefügevergleich (r) von n.i.O.- und i.O.-Tonnen

Problemstellung:

Für die private Müllentsorgung werden deutschlandweit standardisierte Behälter (240 l bzw. 140 kg maximal Befüllung) verwendet. Im vorliegenden Fall sind solche Tonnen in größerer Stückzahl nach einer kurzen Verwendungszeit durch Rissbildungen ausgefallen (Abb. 1 / links). Die Tonnen wurden aus einem PE-HD mit einem unbekannten Post Consumer Rezyklat (PCR)-Anteil im Spritzgießverfahren hergestellt. Dem Kunden ist dabei aufgefallen, dass ausschließlich Tonnen von einem beteiligten Zulieferer bzw. einer bestimmten Charge betroffen waren. Zur Aufklärung des Schadensfalls wurden gezielt Vergleichsanalysen an Tonnen der betroffenen Charge (n.i.O.) und einer nicht betroffenen Charge (i.O.) durchgeführt.

Methodik/Analytik:

Die Schadenshypothesen wurden aufbauend auf den 5 potentiellen Einflussfeldern gemäß Richtlinie VDI 3822 definiert. Somit wurde der Fokus der Analysen auf die Verarbeitung sowie die Materialeigenschaften gelegt:

  • Mikroskopische Analysen zur Bewertung der Verarbeitung
  • Fraktographische Untersuchung vorliegender Versagensflächen
  • DSC Analysen zur thermischen Materialcharakterisierung
  • Quasistatische und dynamisch-mechanische Untersuchungen an entnommenen Bauteilproben

Ergebnis:

Mikroskopische Gefügeuntersuchungen lassen in von Rissbildungen betroffenen Bereichen fertigungsbedingte Randschichten erkennen (Abb. 1 / rechts). Die Randschichtbildung resultiert aus einem ungünstigen Parameter-Setup beim Spritzgießprozess und kann die mechanischen Bauteileigenschaften beeinträchtigen. Sie ist bei der n.i.O. Tonne im Vergleich sichtbar stärker ausgeprägt und lässt in der polarisationsmikroskopischen Untersuchung einen lokal höheren Molekülorientierungsgrad bzw. Eigenspannungsanteil vermuten

Mit Hilfe der thermischen Analyse (DSC) lassen sich weiterführend geringe Unterschiede zwischen beiden Bauteil-Chargen (i.O. und n.i.O.) erkennen. Insbesondere lassen beide Chargen geringe Verunreinigungen von PP und weiteren höherschmelzenden Polymeren (z.B. PET und PA) im PE-HD vermuten.

 

Die mechanischen Untersuchungen (Zugversuch und Durchstoßversuch) zeigen, dass bei den n.i.O. Tonnen größere Ergebnisstreuungen vorliegen und eine Tendenz zu geringeren Bruchkräften bzw. -dehnungen besteht (Abb. 2). Insbesondere werden im Rahmen von Kerbschlagprüfungen nach Charpy bei den fehlerhaften Tonnen reduzierte Kerbschlagzähigkeiten und damit verbunden ein spröderes Materialverhalten ermittelt, sofern sich die benannte Randschicht im Versuch auf der schlagabgewandten (Zug-) Seite befindet.

Abbildung 2: Ergebnisse des Durchstoßversuchs an jeweils 5 Proben

Die Untersuchungen zeigen auf, dass die Verwendung von PCR-Material im Hinblick auf die schadensbegünstigenden Umstände eine eher untergeordnete Rolle spielt. Vielmehr scheint die durch Randschichtbildung verminderte Verarbeitungsqualität unter dynamisch-mechanischen Gesichtspunkten primär verantwortlich zu sein. In diesem Zusammenhang kann über fraktographische Untersuchungen der Rissursprung jeweils auf einen Tonnenbereich zurückverfolgt werden, der bei der halbautomatisierten Entleerung am Müllfahrzeug einer wiederholten Stoßbelastung ausgesetzt ist.