Hyperelastisch-plastisches Materialmodell zur Beschreibung der Anisotropie in thermoplastischen Vulkanisaten
Thermoplastische Vulkanisate (TPV) revolutionieren die Elastomerverarbeitung, doch ihre prozessbedingte Anisotropie stellt neue Herausforderungen für die Strukturauslegung. Ein innovatives Materialmodell, basierend auf mikromechanischen Untersuchungen und semi-physikalischen Ansätzen, ermöglicht erstmals eine präzise Berechnung des anisotropen Werkstoffverhaltens. Dies ebnet den Weg für effiziente Simulationen und die optimierte Auslegung von TPV-Bauteilen.
Ausgangssituation / Problemstellung:
Thermoplastische Vulkanisate (TPV) vereinen aufgrund ihrer mehrphasigen Struktur die herausragenden gummielastischen Eigenschaften von Elastomeren mit der effizienten Verarbeitbarkeit und Rezyklierbarkeit von Thermoplasten. Folglich werden immer mehr Elastomerbauteile durch TPV ersetzt. Bei der Auslegung von Strukturbauteilen aus TPV ergeben sich neue Herausforderungen, wie die prozessbedingte Anisotropie des Werkstoffs. Diese entsteht aufgrund der hohen Schergeschwindigkeiten im Spritzgießprozess und den daraus resultierenden Orientierungs- und Verzerrungsvorgängen der Elastomerpartikel. Aktuell bestehende Materialmodelle sind nicht in der Lage, die prozessbedingte Anisotropie dieser Werkstoffklasse abzubilden. Erst durch eine Berücksichtigung dieses Effekts kann eine genauere Vorhersage des Bauteilverhaltens getroffen werden.

Zielsetzung:
Im Rahmen des vorgestellten Projekts wurden auf Basis von mikromechanischen Untersuchungen die Wirkzusammenhänge von morphologischer Konfiguration des Werkstoffs und makroskopischer Materialantwort untersucht. Aufbauend darauf wurde ein analytisches Werkstoffmodell entwickelt, welches das mechanische Verhalten von thermoplastischen Vulkanisaten unter Berücksichtigung der lokalen Phasenmorphologie beschreibt. Dies geschieht unter Berücksichtigung der morphologischen Struktur.
Lösungsweg und Ergebnisse:
Um die Wirkzusammenhänge zwischen Verzerrungsgrad und mechanischer Werkstoffantwort zu untersuchen, wurden statistisch repräsentative Volumenelemente (RVE) genutzt. Diese RVE- Modelle stellen geometrische Äquivalent der Phasenkonfiguration der betrachteten TPV dar. Zur Generierung der RVE-Modelle wurde ein Algorithmus entwickelt, welcher die hohen Elastomeranteile und Verzerrungen in thermoplastischen Vulkanisaten abbilden kann. Mittels Parameterstudien wurden Erkenntnisse über die Wirkzusammenhänge für die Entwicklung eines analytischen Werkstoffmodells erlangt. Das entwickelte Materialmodell basiert auf einem semi- physikalischen Homogenisierungsansatz auf molekularer Ebene. Durch die Implementierung einer Verschaltung von mechanischen Ersatzmodellen zur Repräsentation von Thermoplast- und Elastomerphase sowie der Einbringung der einer Molekül-Orientierungsverteilung konnte das
charakteristisch anisotrope elastisch-plastische Werkstoffverhalten von TPV abgebildet werden. Das entwickelte Materialmodell ist in der Lage, das Bauteilverhalten von TPV-Komponenten effizient und unter Berücksichtigung der prozessbedingten Anisotropie zu berechnen. Die dafür notwendige Vorhersage des Verzerrungsgrads in der Spritzgießsimulation ist bisher noch nicht möglich. Langfristig soll in der Forschungsstrategie ein integrativer Modellierungsansatz entwickelt werden. Anregungen zur Lösung dieser Fragestellungen sowie Teilnahme an Projektkonsortien sind willkommen.
Projektdaten und Förderung
Das Forschungsvorhaben wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziell gefördert – 448100263. Ihr gilt unser ausdrücklicher Dank!
Projektlaufzeit: 6/2021 bis 5/2024